5
Nov
2010

Ein Platz zum Schreiben

Auch in Bibliotheken klingeln mittlerweile schon die Handys und musizieren die Laptops, was man durch einen Ohrstöpselautomaten am Eingang wieder wettzumachen sucht. Im Großen und Ganzen ist es jedoch herrlich ruhig hier, und die wenigen Geräusche sind für mich eher beruhigende Zeichen menschlicher Gegenwart als Störung. Besondes empfindlich bin ich in dieser Hinsicht sowieso nicht, so lange es etwas gibt, das meine Aufmerksamkeit fesselt. Ich gebe zu, das ist jetzt beim Schreiben mehr der Fall als damals im Studium. Dennoch habe ich heute extra die Bibliothek zum Schreiben gewählt, weil ich mich zu Hause leicht vom Ruf der Waschmaschine nach Befüllung oder im Sonnenlicht tanzenden Staubflusen ablenken ließe. Und dieser Ruf ist manchmal lauter als der des Manuskripts, das endlich fertig werden soll.
Nun habe ich schon drei Stunden geschrieben, mit Blick ins Grüne unter tief über dem Campus dahintreibenden Wolken, draußen gefühlte föhnige fünfzehn Grad am fünften November. Ich danke der Öffentlichen Hand, dem Freistaat Bayern und der Hochschulbibliothek Regensburg, dass ich hier sein darf. Die ungewohnte Umgebung und die tief stehende Wintersonne katapultieren mich zurück nach Dänemark, wo ich einst an meiner Diplomarbeit schrieb; die Studenten ringsum verjüngen mich. Fühle mich wie auf Auslandsstipendium in meiner eigenen Stadt. Eigentlich wirken die Studis gar nicht so jung, dafür ernster als zu meiner Zeit. Oder liegt es daran, dass ich von Bauleuten umgeben war, jetzt aber von angehenden Betriebswirtschaftlern? Den jungen Mann mit dem Guns n' Roses - T-Shirt dagegen sortiere ich gedanklich zu den Maschinenbau-Studierenden. Sollte die Zeit doch irgendwie stehen geblieben sein?
Ich mache Mittagspause in der Mensa, an der Glasfront zur verwaisten Außenterrasse, die wie ein Schiffsdeck auf die umgebende Wasserfläche hinaus ragt. Ein seltsamer Klangteppich umfängt mich nach den Stunden vor dem Laptop, ein Wirrwarr von Stimmen und Geschirrklappern. Alles ist so hell, geräumig, freundlich. Ganz anders als zu meiner Zeit in den alten Gebäuden an der Prüfeninger Straße, die ebenfalls ihren Charme besitzen – einen staubigen. Was bin ich froh, dass ich nicht mehr studieren muss. Die umgebenden Bücherregale schaffen eine Atmosphäre, die zum Bücherschreiben gerade recht ist. Ihre Inhalte muss ich nicht erkunden. Zumindest nicht im Moment. Doch ich könnte es, und das macht den zusätzlichen Reiz dieser Atmosphäre aus.

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